Zusammenfassung Angesichts der zentralen Bedeutung, die die spezifische Zeitlichkeit unserer Existenz für Fragen der Lebensführung hat, liegt es auf der Hand, dass gerade auch im Bereich von Medizin und Medizinethik zeitliche Dimensionen eine wichtige Rolle spielen. Das Feld der dabei zu beachtenden temporalen Phänomene wird jedoch schnell unübersichtlich. Vor deren medizinethischer Bewertung erscheint deswegen eine philosophische Vorklärung relevanter Zeitunterscheidungen angezeigt. Eine solche…
Read moreZusammenfassung Angesichts der zentralen Bedeutung, die die spezifische Zeitlichkeit unserer Existenz für Fragen der Lebensführung hat, liegt es auf der Hand, dass gerade auch im Bereich von Medizin und Medizinethik zeitliche Dimensionen eine wichtige Rolle spielen. Das Feld der dabei zu beachtenden temporalen Phänomene wird jedoch schnell unübersichtlich. Vor deren medizinethischer Bewertung erscheint deswegen eine philosophische Vorklärung relevanter Zeitunterscheidungen angezeigt. Eine solche Vorklärung nehmen wir in diesem Aufsatz in Angriff. Ziel ist die Entwicklung einer Matrix von temporalen Differenzierungen, die auch zur ethischen Orientierung medizinischer Praktiken herangezogen werden sollten. Auf der Basis der grundlegenden Unterscheidung zwischen der Zeit, in der sich unser Leben wie andere Prozesse auch abspielt, und der Zeitlichkeit, die dieses Leben wesentlich ausmacht, arbeiten wir vier Zeitfelder heraus: die lineare Zeit der chronologischen Ordnung von Ereignissen, die intersubjektive Zeit sozialer Interaktionen, die zyklische Zeit biologischer und sozialer Rhythmen und die biographische Zeit, in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft existenzielle Bedeutungen annehmen und Endlichkeit und Irreversibilität von Lebensprozessen verhandelt werden. Zur Erläuterung dieser viergliedrigen Matrix greifen wir auf verschiedene Zeitphilosophien zurück, etwa auf solche aus der phänomenologischen Tradition oder aus der neueren analytischen Diskussion.