Die vorliegende Arbeit geht zunächst der Frage der Möglichkeit einer spezifischen, methodisch von den Naturwissenschaften unterschiedenen „Phänomenologie der Natur“ nach. Das Paradigma einer solchen Phänomenologie der Natur ist Goethes Farbenlehre, deren Methode über die Farberscheinungen hinaus Anwendungsmöglichkeiten auf neue Gegenstände eröffnet. Im Zusammenhang damit werden in der vorliegenden Arbeit die Ergebnisse eines philosophischen Versuchs vorgestellt, das Paradigma der Farbenlehre auf…
Read moreDie vorliegende Arbeit geht zunächst der Frage der Möglichkeit einer spezifischen, methodisch von den Naturwissenschaften unterschiedenen „Phänomenologie der Natur“ nach. Das Paradigma einer solchen Phänomenologie der Natur ist Goethes Farbenlehre, deren Methode über die Farberscheinungen hinaus Anwendungsmöglichkeiten auf neue Gegenstände eröffnet. Im Zusammenhang damit werden in der vorliegenden Arbeit die Ergebnisse eines philosophischen Versuchs vorgestellt, das Paradigma der Farbenlehre auf die Erscheinung Kraft zu übertragen. Die Anwendung des Paradigmas der Farbenlehre auf den Kraftbegriff ist möglich; das Ergebnis stellt bis in die verwendete Terminologie hinein einen ähnlich deutlichen Kontrapunkt zur Physik dar wie die Inhalte der goetheschen Farbenlehre. Dadurch wird eine Lesart der Farbenlehre gestützt, nach welcher deren Anliegen methodisch und inhaltlich deutlich vom Anliegen der modernen Physik unterschieden werden muss; die Farbenlehre erschließt sich somit viel deutlicher durch Herausarbeiten und Rekonstruieren der Differenzen zwischen Phänomenologie und Physik als durch Postulieren vermeintlicher Schnittmengen.
Als Ausblick ergibt sich ein über das philosophische Experiment hinausgehender und noch zu begründender Geltungsanspruch einer in der Tradition der Farbenlehre arbeitenden Naturphänomenologie, indem sie die allgemeinen Bedingungen eines erfahrbaren und vermittelbaren Wissenskorpus von Natur aufzeigen und damit einen grundlegenden Beitrag zur Erkenntniskritik liefern könnte; diese Reflexion ist jedoch zunächst noch ein Desideratum.